Recht

Mit vielen Aussagen von Fundamental-Evangelikalen werden Homosexuelle beleidigt oder herabgewürdigt. Hier wird die Frage beantwortet, ob solche Äußerungen strafrechtlich verfolgt werden können.

Die Frage, ob eine herabwürdigende Äußerung als Beleidigung, als Verleumdung oder als Volksverhetzung zu werten ist, lässt sich nur dann zuverlässig beurteilen, wenn man auch den Kontext berücksichtigt, in dem die Äußerung gefallen ist. Das heißt: Es genügt nicht, einzelne Zitate herauszugreifen.

Mögliche Gesetze, die zur Anwendung kommen können sind § 130 StGB (Volksverhetzung), § 185 StGB (Beleidigung) und das AGG (Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz).

Beleidigung (§ 185 StGB)

§ 185 StGB Beleidigung ist die Kundgabe der Missachtung oder Nichtachtung eines anderen.

Zur Frage, ob die Äußerungen als Beleidigungen zu werten sind, ist darauf hinzuweisen, dass sich die Autor*innen auf das Grundrecht der Meinungsfreiheit berufen können. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dürfen sie – vor allem bei Fragen, die die Öffentlichkeit sehr bewegen – auch überspitzte und einseitige Formulierungen gebrauchen. Die Grenze ist die so genannte Schmähkritik.

Eine herabsetzende Äußerung nimmt dann den Charakter einer Formalbeleidigung oder Schmähkritik an, wenn in ihr nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund steht. Sie muss jenseits auch polemischer und überspitzter Kritik in der Herabsetzung der Person, die gleichsam an den Pranger gestellt wird, bestehen.

Diese Voraussetzung ist bei den abwertenden Äußerungen der Fundamentalist*innen in der Regel nicht gegeben. Davon abgesehen ist der Tatbestand der Beleidigung nach der Rechtsprechung nur erfüllt, wenn sich jemand über bestimmte Lesben und Schwule herabwürdigend äußert.

Der Tatbestand der Beleidigung kann zwar auch vorliegen, wenn jemand eine Einzelperson als Angehöriger einer Personenmehrheit unter einer Kollektivbezeichnung beleidigt. Das setzt aber voraus dass hinsichtlich der Personenmehrheit kein Zweifel darüber besteht, welche einzelne Personen von der kränkenden Äußerung betroffen sind. Es ist daher erforderlich, dass die Personenmehrheit durch äußere Kennzeichen abgrenzbar ist.

Das wird von der Rechtsprechung bei beleidigenden Äußerungen über „Homosexuelle“, „Schwule“ oder „Lesben“ verneint, weil es sich bei der sexuellen Identität um einen inneren Tatbestand handele. Es lasse sich daher nicht klar abgrenzen, wer von den Beleidigungen betroffen sei und wer nicht. 

Volksverhetzung (§ 130 StGB)

Der Straftatbestand der Volksverhetzung ist in § 130 StGB geregelt. Die Vorschrift unterscheidet zwischen volksverletzenden Handlungen (Absatz 1) und der Verbreitung von Medien mit volksverhetzendem Inhalt (Absatz 2 und 3).

Volksverhetzende Handlungen werden nur bestraft, wenn sie geeignet sind, den öffentlichen Frieden zu stören. Damit ist die Gewährleistung der Friedlichkeit gemeint. Ziel der Strafvorschrift ist der Schutz vor Äußerungen, die ihrem Inhalt nach erkennbar auf rechtsgutgefährdende Handlungen hin angelegt sind, etwa durch Appelle, die bei den Angesprochenen Handlungsbereitschaft auslösen oder Hemmschwellen herabsetzen oder Dritte unmittelbar einschüchtern.

Zur Erfüllung dieses Tatbestandsmerkmals ist eine bereits eingetretene Störung des öffentlichen Friedens nicht erforderlich. Es genügt vielmehr, dass berechtigte – mithin konkrete – Gründe für die Befürchtung vorliegen, der Angriff werde das Vertrauen in die öffentliche Rechtssicherheit erschüttern, sei es auch nur bei der Bevölkerungsgruppe, gegen die er sich richtet.

Diese Voraussetzung ist bei den Drohungen rechtsradikaler Gangs gegen Lesben und Schwule in der Regel gegeben, nicht aber bei den abwertenden Äußerungen der religiösen Fundamentalist*innen über Lesben und Schwule. Die Fundamentalist*innen verurteilen zwar Homosexuelle, die nicht „keusch“ leben, aber sie sind gegen solche Homosexuelle nicht gewalttätig.

Bei der Verbreitung von Medien mit volksverhetzendem Inhalt kommt es dagegen nicht darauf an, ob die Verbreitung geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu gefährden. Als Tathandlungen kommen Äußerungen und die Verbreitung von Medien (dazu gehören auch Internetseiten) in Betracht,

  • wenn gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einem Teil der Bevölkerung zum Hass aufgestachelt oder zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen aufgefordert wird oder
  • wenn die Menschenwürde anderer dadurch angegriffen wird, dass Teile der Bevölkerung oder ein Einzelner wegen seiner Zugehörigkeit zu einem Teil der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich gemacht oder verleumdet werden.

Die Bedeutung der einzelnen Begriffe hat der Bundesgerichtshof wie folgt umschrieben:

Teile der Bevölkerung“ meint eine von der übrigen Bevölkerung auf Grund gemeinsamer äußerer oder innerer Merkmale politischer, nationaler, ethnischer, rassischer, religiöser, weltanschaulicher, sozialer, wirtschaftlicher, beruflicher oder sonstiger Art unterscheidbare Gruppe von Personen, die zahlenmäßig von einiger Erheblichkeit und somit individuell nicht mehr unterscheidbar sind.

Homosexuelle sind in diesem Sinne ein abgrenzbarer Teil der Bevölkerung.

Verächtlichmachen“ ist jede auch bloß wertende Äußerung, durch die jemand als der Achtung der Staatsbürger unwert oder unwürdig hingestellt wird.

Aber: Ein „Angriff gegen die Menschenwürde anderer“ setzt voraus, dass sich die feindselige Handlung nicht nur gegen einzelne Persönlichkeitsrechte wie etwa die Ehre richtet, sondern den Menschen im Kern seiner Persönlichkeit trifft, indem er unter Missachtung des Gleichheitssatzes als minderwertig dargestellt und ihm das Lebensrecht in der Gemeinschaft bestritten wird.

Derart besonders qualifizierte Beeinträchtigungen müssen durch ein gesteigertes Maß an Gehässigkeit und Rohheit gekennzeichnet sein, und die Angehörigen des betreffenden Bevölkerungsteils oder der betreffenden Gruppe müssen in ihren grundlegenden Lebensrechten als gleichwertige Persönlichkeiten in der Gemeinschaft verletzt und der unverzichtbare Bereich ihres Persönlichkeitskerns sozial abgewertet werden.

Diese Voraussetzungen sind durch Äußerungen in Medien wie: „Die Schwulen hat man leider vergessen zu vergasen“ erfüllt; denn sie knüpfen an die Verbrechen der Nazis an, Menschen als lebensunwert auszugrenzen und umzubringen. Aber wenn solche Äußerungen bei Streitigkeiten fallen, sind sie meist nicht geeignet, das Vertrauen der Angegriffenen in die öffentliche Rechtssicherheit zu erschüttern.

Dagegen erfüllen die abwertenden Äußerungen religiöser Fundamentalisten den Tatbestand in der Regel nicht. Sie handeln ja nicht aus Gehässigkeit, sondern weil sie meinen, dazu vor Gott verpflichtet zu sein.

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG)

Das Bundesgesetz soll Benachteiligungen aus Gründen der „Rasse“, der ethnischen  Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität verhindern und beseitigen. Zur Verwirklichung dieses Ziels erhalten die durch das Gesetz geschützten Personen Rechtsansprüche gegen Arbeitgeber und Private, wenn diese ihnen gegenüber gegen die gesetzlichen Diskriminierungsverbote verstoßen.

Zur Frage der Benachteiligung von Beschäftigten in kirchlichne Einrichtungen wegen ihrer sexuellen Identität siehe den Abschnitt „Beschäftigte in kirchlichen Einrichtungen“ im Rechtsratgeber des LSVD.

Wenn Lesben und Schwulen sonst benachteiligt werden (z.B. Ausschluss aus allgemein zugänglichen Veranstaltungen) ist das nach  § 20 Abs. 1 AGG erlaubt, wenn dafür „ein sachlicher Grund“ vorliegt. Wie die Gerichte bei Einzelfragen über diesen „sachlichen Grund“ entscheiden, hängt von den jeweiligen Richter*innen.

Rechtliches gegen Umpolung?

Welche Möglichkeiten gibt es, gegen Anbieter von „Konversions-“, „Umpolungs-„ oder „Reparativtherapien“ vorzugehen?

Solange der Staat kirchliche Organisationen als gemeinnützig anerkennt, kann man die Anerkennung von evangelikalen Organisationen als gemeinnützig nicht verhindern, weil der Staat die religiösen Inhalte nicht bewerten darf.

Bei Organisationen, die „Umpolungstherapien “ anbieten, wäre eine Aberkennung der Gemeinnützigkeit denkbar und wünschenswert.